Klaus Reichold erzählte einmal pro Monat im Museum der bayerischen Könige (Hohenschwangau) vom Leben und Wirken der bayerischen Monarchen.
Als der spätere König Max I. Joseph am Abend des 20. Februar 1799 in der bayerischen Haupt- und Residenzstadt München einzog, um die Herrschaft zu übernehmen, entstand nach dem Bericht eines Augenzeugen „ein solches Jubelgeschrey, dass einige Pferde an seinem Wagen scheu wurden und über die … Zugstricke schlugen“. Die Bevölkerung setzte die schönsten Hoffnungen in den 42-jährigen Pfälzer. Und der solchermaßen Geehrte erwies sich der Vorschusslorbeeren als würdig: „Vater Max“ zählt bis heute zu den populärsten Gestalten aus den Reihen der Wittelsbacher – obwohl auch er seine Eigenheiten hatte.
Mit der Kunst und den Musen konnte er ebenso wenig anfangen wie mit staatsphilosophischen Erörterungen. Stattdessen habe ihn, so heißt es, die „Geradlinigkeit eines Fuhrmanns“ ausgezeichnet. Außerdem scheute er Entscheidungen und wurde immer rechtzeitig krank, um andere vorschicken zu können. Dafür hatte er ein Talent, das heute wieder als Qualitätsmerkmal von Führungskräften gilt – nämlich gute und tüchtige Leute um sich zu scharen, ihnen Vertrauen zu schenken und Verantwortung zu übertragen.
Als entwaffnend umgänglicher und lebenslustiger Monarch ist Max I. Joseph insbesondere im Schatten der Berge in Erinnerung geblieben: Von seinem Landsitz am Tegernsee brach er – oft inkognito – zu langen Spaziergängen auf, die regelmäßig mit einer kirschgeistseligen Brotzeit auf irgendeinem Bauernhof endeten.
Zum Auftakt des „Wittelsbacher Wintersemesters“ erzählt Klaus Reichold von den Histonauten in München unter anderem von einer Jugend in Zweibrücken, Paris und Straßburg, von einem Feuerwerker, der samt seinen Raketen in die Luft geht und von einem Schuldenberg, der sich – nach heutiger Rechnung – auf einen dreistelligen Millionenbetrag beläuft.
Schon der „Tiroler Wind“ stellte in den Augen Ludwigs I. eine Zumutung dar. Die kalte Jahreszeit mit „Schneegestöber, Reif und Gefrören“ (so beschreibt der Füssener Weber und Chronist Mang Seelos den Winter 1844/1845) war ihm erst recht ein Graus. Deshalb packte der König auch im Spätherbst des Jahres 1865 seine Koffer und eilte gen Süden.
Die exakte Route lässt sich aus Rechnungen rekonstruieren, die sich im Geheimen Hausarchiv der Wittelsbacher erhalten haben. Demnach reiste Seine Majestät, begleitet von einem kleinen Gefolge, im eigenen Waggon vom „Münchner Centralbahnhof“ nach Lindau, setzte mit dem Schiff nach Romanshorn über, fuhr mit dem Zug weiter nach Zürich und bezahlte dafür „mit allen Trinkgeldern für Conducteure, Packer etc. 271 Gulden 37 Kreuzer.“
Nach einer Übernachtung in der legendären Nobelherberge „Baur au Lac“ und zwei weiteren Stationen trafen Ludwig I. und seine Entourage am Abend des vierten Reisetages in Nizza ein, um sich bei „Pommes frites“, mehreren Flaschen Wein, „Desserts nach Art des Hauses“, „3 Café noir“ und zehn Zigarren von den Strapazen zu erholen. Am nächsten Morgen bezogen die Herren mit der „Villa Diesbach“ ein Feriendomizil, dessen Sauberkeit offenbar zu wünschen übrig ließ. Zumindest besorgten sie als erstes „eine Bürste und einen Besen zum Reinigen des Salons“. In der „Villa Diesbach“ feierte Ludwig I. auch Weihnachten. Eine Woche später steckte er dem Briefträger zehn Francs „Neujahrs-Trinkgeld“ zu und leistete sich einen Kalender für das Jahr 1866.
Die Obduktion des Märchenkönigs offenbarte sein dentales Desaster: „Der Oberkiefer fast zahnlos, im Unterkiefer noch 4 Schneide- und 2 Eckzähne“. Geschuldet war dieser Zustand seiner Lust auf Süßes. Kein Abendessen endete ohne Strudel, Savarin oder Pralinés. Außerdem liebte Seine Majestät römischen Eispunsch und Waldmeisterbowle. In der Folge wurden die Garzeiten der Gerichte immer länger: Die Ochsenbrust musste mindestens vier Stunden gekocht werden, bevor sie auf den Tisch kam. „Krustaden“ durften überhaupt nicht mehr serviert werden.
Lesetipp:
Die phantastische Welt des Märchenkönigs
Ludwig II.-Biographie
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Wo der König auch Station machte, wurde er von Böllerschützen, Bergfeuern und Fackelzügen empfangen – und zeigte keinerlei Berührungsängste: Er schlug sein Quartier in einfachen Gasthäusern auf, ertrug tapfer die Darbietungen singender Dorfkinder und tafelte in einem Kuhstall, den man kurzerhand zum königlichen Speisesaal erklärt hatte. Allerdings wurde er nicht überall erkannt. Denn Max II. trug keine Krone und war wegen des Sauwetters zuweilen „durch einen enganliegenden Gummimantel nebst entsprechender Kopfhülle wasserdicht verpackt“.
Er legte den Grundstein zum Deutschen Museum in München, benutzte als erstes Staatsoberhaupt Bayerns ein Automobil und ließ sich in Schloss Hohenschwangau einen Aufzug einbauen. An seinem Schreibtisch arbeitete er aber weiterhin beim Licht von fünf Kerzen. Und eine Nachttischlampe lehnte er als unzulässige Neuerung kategorisch ab. Obwohl er längst auf die Neunzig zuschritt, behauptete er steif und fest, vom Alter nichts zu merken. Deshalb kursierte schon bald der Witz, er sei schon längst gestorben, man dürfe es ihm aber nicht sagen, damit er sich nicht aufregt.