Schlössser-
geschichten


Vortragsreihe

Referent: Klaus Reichold


Eigentlich waren Schlösser, Paläste und Residenzen nichts anderes als Bühnen der Weltgeschichte mit ständig wechselnden Inszenierungen. Sie sahen Auftritte gefeierter Herrscher und verhasster Despoten, waren Schauplätze diplomatischer Ränkespiele und opulenter Familienfeste.  In ihren Mauern wurde geliebt und gemordet, disputiert und intrigiert.

 


Die ewige Baustelle
Der Louvre
............................................................................................................

Mittelalterliche Trutzburg, Renaissance-Schloss, napoleonischer Kaiserpalast: Der Louvre hat in den 800 Jahren seines Bestehens zahllose Verwandlungen erfahren. So richtig geliebt wurde der geschichtsträchtige Komplex von den französischen Herrschern aber nie. Nur 150 Jahre lang diente er als Bühne fürstlicher Repräsentation. Und als Ludwig XIV. den Hof nach Versailles verlegte, stand der Abriss zur Debatte. Seit dem jüngsten Umbau ist der Louvre das meistbesuchte Museum der Welt. Neuerdings beherbergt er sogar eine McDonalds-Filiale.  


  

Stadtwohnung mit Büro
Der Buckingham-Palast
............................................................................................................

Für britische Patrioten ist der Amtssitz der Queen die "Perle des Imperiums". Spötter hingegen bezeichnen den monumentalen Prachtbau, der erst von horrenden Baumängeln, dann von deutschen Bombern bedroht war, als "Inbegriff kolossaler Verdrießlichkeit". Dafür gibt es – neben den zwölf Privatgemächern der Queen – ein Kino, ein Schwimmbad und die "Königlichen Stallungen" samt royalem Fuhrpark, darunter allerlei Bentleys und die Staatskarosse aus der Zeit Georgs III., die wegen ihrer Übelkeit verursachenden Federung noch heute berüchtigt ist. 


                                                        

Schatztruhe am Bosporus
Der Topkapi-Palast
............................................................................................................

Arabeskengeschmückte Pavillons, bunt gekachelte Kioske, phantasievoll verzierte Lauben: Die bedeutendste Residenz auf türkischem Boden, zu der auch ein Harem für 2000 Frauen und eine riesige Küche gehören, gilt als "Zeltstadt aus Stein". Sie soll an die nomadische Herkunft der Osmanen erinnern. 300 Jahre lang war der Topkapi-Palast der politische und geistliche Mittelpunkt eines Weltreichs. Noch heute werden in seinen Mauern die wichtigsten islamischen Reliquien aufbewahrt – darunter Schwert, Barthaare und Schuhe des Propheten Mohammed.



Der schönste Pfarrhof Europas
Die Residenz Würzburg
............................................................................................................

340 Zimmer, ein Treppenhaus, überwölbt vom größten Deckenfresko der Welt, und ein Spiegelkabinett, das laut UNESCO als "vollkommenstes Raumkunstwerk des Rokoko" gilt: Der Palast der Würzburger Fürstbischöfe, unter dessen Dach 1821 der spätere Prinzregent Luitpold das Licht der Welt erblickt hat, ist ein Schloss der Superlative. Der junge Baumeister, bei dem alle Fäden zusammenliefen, erwies sich als Genie. Das hatte man ihm gar nicht zugetraut. Denn eigentlich war Balthasar Neumann gelernter Geschützgießer und "Lustfeuerwerker".   


 

Sammlung Jean Louis Schlim

Orientalische Märchenpracht
Schachenhaus
............................................................................................................

Auf den ersten Blick wirkt die Bergresidenz oberhalb von Partenkirchen wie ein Schweizer Chalet. Tatsächlich aber dachte Ludwig II. bei der Planung an die Sommerhäuser der osmanischen Hautevolee rund um den Bosporus: Mit den Ampeln aus buntem Glas, den flauschigen Diwanen und dem plätschernden Springbrunnen erinnert der „Türkische Saal“ im Obergeschoss an Mozarts „Entführung aus dem Serail“. Hier träumte der König vom fernen Himalaya, „während der Troß seiner Dienerschaft, als Moslems gekleidet, auf Teppichen und Kissen herumlagerte“.



Juwel im Felsengarten
Neuschwanstein
............................................................................................................

Ludwig II. wünschte sich ein Domizil „im echten Styl der alten deutschen Ritterburgen“. Gleichzeitig bediente er sich der neuesten technischen Errungenschaften: Zischende Dampfkräne kamen zum Einsatz, genietete Stahlträger, industriell gefertigte Gusseisenteile. Am Ende hatte das Märchenschloss sogar einen Telefonanschluss. Die Psychiater konstatierten freilich, dass Neuschwanstein „mit seinen Unsummen von Zinnen und Türmchen“ die Ausgeburt „eines kranken Gehirns“ sei. Sie plädierten für die sofortige Entmündigung des Königs. Und so geschah es.



Sammlung Reichold/Endl

Elektrisch erhellte Zaubernacht
Linderhof
............................................................................................................

Die Bauern im weltvergessenen Graswangtal staunten nicht schlecht: Innerhalb weniger Jahre verwandelte sich der wettergegerbte Linderhof, ein altes, bäuerliches Anwesen nahe der Grenze zu Tirol, in ein „Königshaus“ nach dem Vorbild des Petit Trianon der Madame Pompadour. Eine künstliche Tropfsteinhöhle, ein „Maurischer Kiosk“ und der Nachbau einer germanischen Holzhütte trugen dazu bei, dass aus dem Schloss und seinem Park eine Drehbühne voller Verwandlungsmöglichkeiten wurde – ein königliches Disney-Land mit täglich wechselnden Inszenierungen.



Sammlung Reichold/Endl

Geisterdiner im Spiegelsaal
Herrenchiemsee
............................................................................................................

Der Bauherr erfüllte sich alle Wünsche: eine Nachttischlampe mit blauem, mondähnlichem Licht, ein  „Schwimmbad“ samt beheizbarem Bassin, dazu ein märchenhaftes Tischlein-deck-dich. Ludwig II. erlebte Herrenchiemsee allerdings nur als Baustelle. Aber auch sie sollte schon etwas hermachen, wenn der König zur Begutachtung des Baufortschritts erschien. Deshalb verschwand an solchen Tagen alles Unfertige hinter Tausenden von Lilien, Rosen und Tulpen, die „extra aus Holland herbeigeschafft, Stufen, Nischen … und Geländer mit ihrem Farbenschimmer belebten“.



Kolossale Klause
Der Escorial als "Monument des wahren Glaubens"
............................................................................................................

Er soll das Vorbild für den Komplex von St. Michael in München mit der so genannten Maxburg gewesen sein. Tatsächlich verbindet auch der Escorial die Funktionen eines Schlosses und eines Klosters. Allerdings gilt der Privatpalast Philipps II. von Spanien eher als „kaltprächtige“ Angelegenheit: Der Bauherr gedachte in seinen Mauern vor allem diversen Frömmigkeitsübungen nachzugehen. Manchmal brach aber doch die Lebensfreude durch. Wenn die Dorfbewohner unter den Fenstern tanzten, dankte ihnen die Schlossküche mit Leberomelette und Quittenmus.



Romantik im Rosenlicht
Das Heidelberger Schloss wird von den Wettern "zerrissen"
............................................................................................................

Katastrophen erlebte die Residenz der pfälzischen Wittelsbacher zuhauf: 1633 beschossen die Schweden das Schloss. 1693 zündeten  die Franzosen ihre Sprengminen. Und 1764 zerstörte „das Feuer des Himmels“, was von dem 500 Jahre alten Gemäuer übriggeblieben war. Die Ruine wurde zum Mythos – und die Literaten jubelten über die phänomenale Wirkung der „schicksalskundigen Burg“. Goethe, Hölderlin und Mark Twain erklommen den Schlossberg. Das riesige Weinfass, das alle Heimsuchungen überstanden hat, fand sogar Eingang in einen Roman von Jules Verne.



Puddinggelbe Barockfassaden
Das Berliner Stadtschloss wird rekonstruiert
............................................................................................................

1876 war noch von „einem der prächtigsten Königssitze Europas“ die Rede. 1950 aber kam das Aus. Obwohl der – zugegeben etwas schwülstige – „Prunkbau des protestantischen Barock“ den Zweiten Weltkrieg leidlich überstanden hatte, ordnete die Führung der im Jahr zuvor gegründeten DDR die Sprengung an. Damit sank ein Palast in den Staub, der auf einen Kurfürsten mit dem schönen Beinamen „Eisenzahn“ zurückging und die Geburt von Prinzessin Marie, der Mutter des bayerischen Märchenkönigs, erlebt hatte. Seit 2013 läuft der Wiederaufbau.



Märchenhafte Kulisse
Prinz Eugen sucht im Schloss Belvedere Zerstreuung
............................................................................................................

Die Menagerie war mit roten Rüsselbären, walachischen Schafen und einer „Africanischen Zibethkatze“ bevölkert. In der Orangerie blühten „Cocos-, Pfeffer- und Caffee-Bäume“. Und wenn „der edle Ritter“, dessen Weise auch am Münchner Rathaus-Glockenspiel erklingt, eine größere Gesellschaft um sich scharte, servierten orientalisch gewandete Diener „Confecturen, Obst-Werk und Limonade“. Im Park von Schloss Belvedere mutierte der hochdekorierte Türkenheld sogar zum Gärtnergehilfen: Im Herbst zupfte er höchstselbst das welke Laub von den Hecken.



Der Palast des Alchemisten
Im Hradschin träumt Rudolf II. von Kunst und Magie
............................................................................................................

Der prächtigste Saal der Prager Burg ist das Werk eines Landshuter Baumeisters. Und einer der beiden Statthalter, die den Hradschin beim Fenstersturz des Jahres 1618 kopfüber in Begleitung eines Sekretärs verließen, flüchtete  nach München. Die überragende Gestalt in der Geschichte der „böhmischen Akropolis“ ist Kaiser Rudolf II. Er besaß angeblich „eiserne Nägel, die von der Arche Noah stammten“ sowie den Dolch, mit dem Julius Cäsar ermordet wurde. 1601 ernannte er Johannes Kepler zu seinem „Hofmathematicus“.

E-Mail
Karte
Infos
Instagram