Kanonendonner, ein imposanter Korso von offenen Sechsspännern, Feiertagsschüler in bunten Landestrachten – und ein Pavillon mit einem Zeltdach, das aus der Türkenbeute von Kurfürst Max Emanuel stammte: 40.000 Zuschauer verfolgten am 17. Oktober 1810 das farbenprächtige Spektakel am Fuße des westlichen Isarhochufers, in dessen Mittelpunkt ein Pferderennen stand. Der Initiator, nach heutigem Verständnis ein gebürtiger Italiener, konnte nicht ahnen, dass er damit den Grundstein für das „Oktoberfest“ auf der „Theresienwiese“ legte.
In Nymphenburg staunte er über die schönen Gondeln aus Venedig. Beim Weinwirt Huber vor dem Neuhauser Tor genehmigte er sich ein Glas Limonade. Und im Salvatortheater rätselte er über den tieferen Sinn einer Komödie. Sie sei zwar „sehr gut gespielt“ gewesen, leider aber „ganz im bayerischen Dialect“ gegeben worden und ihm deshalb reichlich unverständlich geblieben. Mit seinem „Tagebuch einer musikalischen Reise“ taucht Otto Carl Erdmann von Kospoth in das Münchner Gesellschaftsleben um 1800 ein.
Es war der erste Besuch eines Pontifex Maximus in der bayerischen Hauptstadt. Und als er am Isartor eintraf, regnete es wieder einmal in Strömen. Ein Omen? Der katholischen Kirche stand das Wasser bis zum Hals. Beinahe wäre Pius VI. der letzte Papst der Geschichte gewesen: Als entschiedener Gegner der Französischen Revolution wurde er 1798 von französischen Truppen abgesetzt und gefangengenommen. Während seines sechstägigen Aufenthalts in München hatte er noch einmal einen Triumph gefeiert – und der Stadt einen Nuntius beschert.
Sie propagierten das baldige Ende aller Fürstenherrlichkeit, träumten von der klassenlosen Gesellschaft und wollten die Religion als „frommen Betrug“ entlarven. Der Geheimbund der Illuminaten, begründet von einem Kirchenrechtsprofessor, der seinerseits Mitglied einer Münchner Freimaurerloge war, galt bei der Obrigkeit als revolutionäres Schreckgespenst. Dumm nur, dass ein Großteil der städtischen Elite – allen voran der mächtige Minister Montgelas – mit den „Umstürzlern“ sympathisierte. Am Ende setzte sich die Aufklärung auch in München durch.
In den Tagen Kaiser Ludwigs des Bayern war das Münchner Franziskanerkloster ein Wissenschaftszentrum von
europäischem Rang. Seine damalige Bedeutung klingt in Umberto Ecos Roman „Im Namen der Rose“ nach. Im Herbst 1802 wurde der geschichtsträchtige Komplex am heutigen Max-Joseph-Platz dem Erdboden gleich gemacht. Die Aufhebung der Klöster sorgte auch in München für böses Blut. Gleichzeitig verwandelte sich die Stadt in ein riesiges Schatzhaus: Die Kostbarkeiten aus kirchlichem Besitz brachten die kurfürstlichen Magazine zum Überquellen.
Eine acht bis zehn Meter hohe Mauer, um die hundert Türme – dazu ein Wallgürtel mit 18 mächtigen Bastionen: Bis ins 19. Jahrhundert war München eine riesige Festung. Allerdings behinderten die verwinkelten Tordurchfahrten den Verkehr. Und der Mauerring wirkte wie ein Korsett: Er schnürte die rasch wachsende Stadt ein und raubte ihr den Atem. Gleichzeitig war klar, dass er der Durchschlagskraft moderner Geschütze nicht mehr standhalten würde. Deshalb befahl der Kurfürst seine Niederlegung. Dabei waren gerade die Franzosen im Anmarsch!