Im Nationaltheater erlebten Schillers „Räuber“ ihre Münchner Erstaufführung. In der Westenrieder Straße wurde die neue Synagoge eingeweiht. Und in der Glyptothek fand der „Barberinische Faun“ nach einem abenteuerlichen Transport über schwindelerregende Alpenpässe seine neue Heimat. Die Isarmetropole boomte. Studenten bevölkerten die Boulevards. In der Hirschau wurde die erste Lokomotive gebaut. Und im Kunstverein sorgte „Der arme Poet“ von Carl Spitzweg für helle Empörung: Was für eine freche Verhöhnung der Dichtkunst!
Die mittelalterliche Bausubstanz galt als Relikt aus „Zeiten rohester Geschmacklosigkeit“, das Rokoko als Ausdruck eines „ekelhaften Schnörkelwesens“. Ein neuer Stil war gefragt – und Altes musste weichen: Die Lorenzkirche im Alten Hof, das Schwabinger Tor, das Turnierhaus am Hofgarten wurden abgebrochen. Baulöwen wie Franz Höllriegl verdienten sich eine goldene Nase. Die Stadt wurde chic, schmückte sich mit einer „Königlichen Sternwarte“, einer Anatomie – und einem der ersten Photomuseen Europas.
Zwischen 1801 und 1852 erlebte München eine Bevölkerungsexplosion. Die Einwohnerzahl stieg von 40.050 auf 94.380. Die Katholiken verloren ihre Monopolstellung. 1825 genehmigte Ludwig I. den Bau einer „Evangelischen Kathedralkirche“. 1826 nahm er an der Einweihung der Synagoge an der Westenrieder Straße teil. 1829 überließ er der griechisch-orthodoxen Gemeinde die Salvatorkirche. Mit der Verlegung der Universität nach München holte er außerdem Studenten und Professoren an die Isar. Die Stadt wurde bunt, der bisherige „Zentralfriedhof“ zu klein.
„Feurig muß das Leben mir schäumen, sehnen will ich und schwärmen und träumen“, dichtete Ludwig I. Tatsächlich blieb er zeitlebens ein rastloser Geist. Allein in Italien weilte er mehr als 30 Mal. Und von jeder Reise brachte er eine neue Anregung mit nach Hause: Der Poseidon-Tempel in Paestum inspirierte ihn zur Walhalla, eine 1828 im Schatten des Vesuv entdeckte Villa zum „Pompejanum“ in Aschaffenburg. Selbst sein Altersruhesitz in der Pfalz hat ein südliches Vorbild: das Landgut seiner langjährigen Geliebten Marianna Florenzi in Umbrien.
In den Schlafzimmern kamen „Schlittenbetten“ in Mode. Auf den Boulevards produzierten sich Dandys mit geschnürter Wespentaille. Und an der Hauptpost wurde der erste Briefkasten angebracht. Dafür gelang es nicht, der Straßenköter Herr zu werden. Als die alte Isarbrücke einstürzte, dauerte es 15 Jahre, bis die neue „Ludwigsbrücke“ ihrer Bestimmung übergeben werden konnte. Und als 1836 die Cholera ausbrach, musste auch das von Max I. Joseph begründete „Allgemeine Krankenhaus“ mit seinen vorbildlich „lichten und hohen Sälen“ kapitulieren.
Die Sportbegeisterten feierten den Triumph des Meisinger Simmerl über den französischen Ringerchampion Jean Dupuis. Die Bildungshungrigen bewunderten den „Barberinischen Faun“. Und die Opernfreunde ertrotzten sich 13 Wiederholungen von Webers „Freischütz“. Zur Sensation geriet der zehnte Geburtstag des Oktoberfestes: Unter dem Jubel der Bevölkerung stieg die „sächsische Aeronautin“ Wilhelmine Reichard in einem Heißluftballon auf, warf Flugblätter mit Hymnen auf Max I. Joseph ab und landete wohlbehalten auf einer Waldlichtung bei Zorneding.
1841 ließ Ludwig I. für die Staatseisenbahnen den ersten „Dampfwagen“ ankaufen, der in München gebaut worden war. Kritische Stimmen sprachen von einem „rasselnden Ungethüm“, das mit seinem Jagen und Schnauben „die ganze Gegend in Unordnung“ bringe. Doch die technische Entwicklung ließ sich nicht aufhalten. Dazu gesellte sich der wirtschaftliche Aufbruch: Die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank wurde gegründet, das Bekleidungshaus Loden-Frey, die Eisenwarenhandlung F.S. Kustermann. Nur mit Mühe ließ sich die Umwandlung der Heiliggeistkirche in ein Kaufhaus verhindern.