Auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden verfasste Adolf Hitler den zweiten Band seiner Propagandaschrift „Mein Kampf“. Aus einer stillgelegten Munitionsfabrik bei Dachau wurde das erste Konzentrationslager. Und das mittelalterliche Nürnberg, einstiger Schauplatz glanzvoller Fürstentreffen, wurde zur „Stadt der Reichsparteitage“.
Bayern war nicht nur die Wiege des Nationalsozialismus. Der Mythos von der angeblichen „Alpenfestung“ führte auch dazu, dass 1945 zahllose Luftkriegsflüchtlinge, getürmte Parteibonzen und ganze Sonderzüge voller Raubkunst im Schatten der Berge festsaßen.
Die NS-Propaganda zählte das Alpenvorland zu den „schönsten Gauen des Reiches“. Das wirkte offenbar auch auf die braune Prominenz: Hermann Göring suchte die Bergeinsamkeit am Wendelstein. Heinrich Himmler ging am Tegernsee angeln. Und Adolf Hitler ließ sich über die Reichsautobahn München-Salzburg, die extra so angelegt ist, dass ein landschaftlicher Höhepunkt auf den anderen folgt, nach Berchtesgaden chauffieren. Auf dem dortigen „Berghof“ zeigte er sich in Lederhose und ließ sich als Menschen-, Tier- und Naturfreund inszenieren.
Wir finden uns unter Häftlingen wieder, die über die „Adolf-Hitler-Straße“ ins KZ Dachau getrieben werden, entdecken einen alten Bahndamm und stoßen auf einen abgestellten Güterzug mit mehreren hundert Leichen. Das Übungsgelände der SS lassen wir links liegen. In einer verfallenden Plantage erfahren wir, wie sich das nationalsozialistische Deutschland vom Import ausländischer Kräuter und Gewürze unabhängig machen wollte. Im Archiv der Gedenkstätte erzählen uns Originaldokumente anhand konkreter Schicksale vom Grauen des Lageralltags.
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Sommersitz der Wittelsbacher, Künstlerkolonie, Mekka für Liebhaber von exquisitem Tafelobst – die Geschichte des „alten“ Dachau ist verblasst. Denn nur wenige Wochen nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler entstand am Rande der Stadt das erste Konzentrationslager überhaupt. Die braune Propaganda sprach von einer vorbildlichen Erziehungsanstalt für „Kommunisten“, „Arbeitsscheue“ und andere „Volksschädlinge“. Tatsächlich war das Lager ein „Musterbetrieb“ nationalsozialistischen Terrors, in dem rund 41.500 Menschen zu Tode kamen.
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Im Mittelalter war Nürnberg eine der größten Metropolen Europas. Auf der Burg hielten Kaiser und Könige Hof. Im Heilig-Geist-Spital wurde der Kronschatz des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation aufbewahrt. An der Pegnitz pochte das Herz abendländischer Macht. Adolf Hitler wollte an diese Tradition anknüpfen. Er erklärte Nürnberg zur „Stadt der Reichsparteitage“ und damit zur wichtigsten Kulisse propagandistischer Selbstinszenierung. Mit den „Nürnberger Prozessen“ versuchte die Stadt, ihren Ruf wiederherzustellen.
Ein Bergbauernidyll, überragt von mächtigen Kalksteingipfeln, gesegnet mit sensationellen Ausblicken: Schon Clara Schumann, Carl von Linde und Siegmund Freud verbrachten hier ihre Sommerfrische. 1923 kam ein Fremder mit Oberlippenbärtchen auf den Obersalzberg. Er nannte sich „Herr Wolf“. Unter seinem wahren Namen Adolf Hitler vertrieb er ab 1933 die einheimische Bevölkerung, erklärte den Obersalzberg zum „Führersperrgebiet“ und baute das Areal neben Berlin zum zweiten Regierungssitz aus.
Wir imaginieren uns ein Panoramafenster mit einer Fläche von 32 Quadratmetern, steigen – wie in einem James-
Bond-Film – ins Reich des Bösen hinunter und machen Bekanntschaft mit einer resoluten Pensionswirtin, die zur Hauptfigur eines Bestsellerromans geworden ist. Beim „Türken“ erleben wir einen Auftritt des späteren „Führers“. Ein goldener Aufzug befördert uns auf den angeblichen Gipfel der Macht. Eva Braun ist allerdings nicht da und
der „Duce“ schon wieder abgereist.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lag Oberbayern noch außerhalb der Reichweite feindlicher Bomberflotten. Deshalb mieteten sich zahllose Luftkriegsflüchtlinge aus Norddeutschland in den Ferienhochburgen des Voralpenlandes ein. Schon bald gab es die ersten Zusammenstöße zwischen den unfreiwilligen Dauergästen und den Einheimischen. Dann wurde auch noch das Bier knapp. 1945 eskalierte die Situation vollends.
Wir hören von einem Reichsluftfahrtminister, der Meier heißen will, falls es einem feindlichen Flugzeug gelingen sollte, in den deutschen Luftraum einzudringen. Wir beklagen den eklatanten Mangel an „Faltenröcken und hellen Kostümen“ im bayerischen Oberland. Und wir besuchen ein Kloster Tassilos III., das in eine „Kaserne für Kinder“ verwandelt worden ist. Außerdem treffen wir auf einen Berliner, der nur noch bayerisch spricht. Den Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ erleben wir in einem ausgedienten Salzstollen.
Die meisten Kunstwerke, die die Nationalsozialisten in ganz Europa zusammengerafft hatten, landeten in Bayern. In drei Sonderzügen, die in und um Berchtesgaden abgestellt worden waren, fand sich ein Großteil der „Sammlung Göring“. Adolf Hitler hatte seine „Schätze“ in den Luftschutzbunkern des Münchner Führerbaus verstecken lassen. Und Schloss Neuschwanstein diente als Hauptdepot für die vom „Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ beschlagnahmten Kostbarkeiten. Die Rückgabe an die ursprünglichen Eigentümer ist bis heute nicht abgeschlossen.
Wir wundern uns über den regen Lastwagenverkehr vor dem einstigen Verwaltungsbau der NSDAP, sagen Michelangelos „Brügger Madonna“ Grüß Gott und nehmen „Die Heuernte“ von Pieter Brueghel d.Ä. in Augenschein. Angesichts des eiskalten Winters 1946/47 fühlen wir uns nach Sibirien versetzt und beobachten den heiligen Petrus, wie er – in einen dicken Schafpelzmantel gehüllt – 2.000 Kisten Kulturgut aus der UdSSR in der „Galerie II“ des ehemaligen Führerbaus einschließt.