Veranstaltungseihe mit Klaus Reichold
Wenige Wochen zuvor war die russische Zarenfamilie in Jekaterinenburg von radikalen Sozialisten ermordet worden. Jetzt polterte, johlte und lärmte der revolutionäre Mob unter den Fenstern der Münchner Residenz. In Todesangst suchte Ludwig III. mit Gattin, Töchtern und Bediensteten das Weite. Die filmreife Flucht war an Pannen kaum zu überbieten und führte über Wildenwart und Hintersee nach Anif bei Salzburg. Dort entband Ludwig III. die Beamten, Offiziere und Soldaten in der Nacht zum 13. November 1918 von ihrem Eid.
Der Bus wird der Fluchtroute über große Strecken punktgenau folgen. Dabei begleiten uns größtenteils unveröffentlichte Photos und Augenzeugenberichte, die uns den Fortgang und Ablauf der Flucht vor 100 Jahren minutiös schildern. Auf der Fahrt passieren wir unter anderem die vermutliche Unfallstelle, an der der Wagen des Königspaares in einem Kartoffelacker landete. In Wildenwart (Zeit für Mittagessen) und in Hintersee (Zeit für Kaffee und Kuchen) sind wir in historischen Wirtshäusern zu Gast, die einen unmittelbaren Bezug zur Flucht der Königsfamilie haben und die Erinnerung an jene dramatischen Tage wachhalten.
Außerdem werfen wir in Wildenwart, Hintersee und Anif einen Blick auf die dortigen Zufluchtsstätten der königlichen Familie, deren Innenbesichtigung leider nicht möglich ist, weil sie privat genutzt werden. Dafür stoßen wir im österreichischen Anif auf „100 Jahre Freistaat Bayern“ an.
Nach der Ermordung von Kurt Eisner eskalierte die Situation: Auf die Ausrufung der Räterepublik folgten blutige Straßenschlachten, die Flucht der alten Regierung nach Bamberg – und die Reaktion: Der Münchner Erzbischof verurteilte die Revolution als „Meineid und Hochverrat“. „Der Feind ist im Land“, verkündete die Bayerische Volkspartei. Die politische Rechte setzte sich durch: Beflügelt von der Inflation und der wirtschaftlichen Not schaffte es Adolf Hitler mit dem „Marsch auf die Feldherrnhalle“ erstmals auf die Titelseiten der Weltpresse.
Wochenlang hatte der provisorische Ministerpräsident des Freistaats Bayern geglaubt, die Mehrheit der Bevölkerung stünde hinter ihm. Doch bei den ersten freien Landtagswahlen erreichten seine „Unabhängigen Sozialdemokraten“ nur schlappe 2,53 Prozent. Zum Rücktritt entschlossen, machte sich Kurt Eisner von seinem Büro im Palais Montgelas am 21. Februar 1919 gegen 9.55 Uhr zu Fuß auf den Weg zur konstituierenden Sitzung im nahen Landtagsgebäude. Versteckt in einem Hauseingang an der heutigen Kardinal-Faulhaber-Straße lauerte schon sein Mörder.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Sturz der weiß-blauen Monarchie lag die alte Welt in Scherben. Jetzt ging es ans Aufräumen. Als provisorischer Ministerpräsident mühte sich Kurt Eisner um moderate Friedensbedingungen, um eine geordnete Demobilisierung, um die Lebensmittelversorgung und um die Arbeitsbeschaffung. Außerdem setzte er den Achtstundentag und das Frauenwahlrecht durch: „Nur ein Land, das seine Frauen / Frei und gleich und würdig stellt, / Nur ein solches Land strebt aufwärts, / Steht voran in aller Welt.“
Buchpräsentation mit Herausgeberin Christiane Böhm, Lektor Klaus Reichold und Verleger Thomas Endl
In der Nacht vom 7. auf den 8. November 1918 stürzt mit König Ludwig III. von Bayern der erste deutsche Monarch von seinem Thron. Seine Flucht aus München samt Familie und Bediensteten ist an Pannen kaum zu überbieten.
Im Geheimen Hausarchiv der Wittelsbacher hat Christiane Böhm die Tagebücher der Königstochter Wiltrud entdeckt. Sie erlauben einen einzigartigen Blick hinter die Kulissen jener turbulenten Tage, werden in diesem Band erstmals ausführlich veröffentlicht und lassen den Leser in ein Drama von shakespeare’scher Wucht eintauchen: Die Königin ist sterbenskrank. Ihre Angehörigen fürchten, einem ähnlichen Schicksal anheimzufallen wie die russische Zarenfamilie, die wenige Wochen zuvor ermordet worden ist. Die jüngste Tochter bangt um das Zustandekommen ihrer mühsam arrangierten Ehe. Und ihr Verlobter wird Augenzeuge der tödlichen Schüsse auf den Revolutionsführer und bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner.
Am 7. November 1918 zeigte sich der Spätherbst in München von seiner schönsten Seite. Die Theresienwiese lag im milden Nachmittagslicht – doch in der Volksmenge, die sich im Schatten der Bavaria versammelt hatte, brodelte es: Zermürbt von den schwindelerregend hohen Opferzahlen auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs, vom Hunger zuhause und von der Sturheit des morschen Systems brach sich der Umsturz mit brausendem Jubel Bahn: München erlebte die bis dato größte Demonstration seiner Geschichte. Am späten Abend war Bayern ein Freistaat.
Führung
Geplante Stationen: Historische Schauplätze an der Route des Demonstrationszuges vom 7. November 1918 (Theresienwiese, Hauptbahnhof, Mathäser Bierhallen, Landtagsgebäude an der Prannerstraße)